Prokrastination, was ist das?
Unter dem Begriff Prokrastination versteht man eine Störung des Selbstmanagements, bei der eine Person ihren Arbeitsbeginn ständig vor sich her schiebt oder einzelne Tätigkeiten immer wieder unterbricht, sodass ein Fertigstellen der Aufgabe schwierig bis unmöglich ist. Meist handelt es sich dabei um Aufgaben, die von den Betroffenen als unangenehm oder langweilig empfunden werden. Deshalb werden sie durch wesentlich „angenehmere“ Handlungen ersetzt. Da es sich bei der Prokrastination um extremes Aufschieben handelt, wird das Phänomen auch „Aufschieberitis“ genannt. Wer unter dieser Arbeitsstörung leidet, macht oft fehlende Willensstärke für sein Fehlverhalten verantwortlich. Doch Prokrastination ist kein Anzeichen für Faulheit, sondern ein Problem der Selbststeuerung.
Häufigkeit und Diagnose
Ein bisschen aufschieben tut fast jeder, das ist menschlich! Jedoch leiden bis zu 20 Prozent aller Erwachsenen an ernsthafter Prokrastination, die schlimmstenfalls psychologisch behandelt werden muss. Vor allem Menschen, die sehr selbstgesteuert arbeiten, neigen zu diesem Aufschiebeverhalten. Das sind beispielsweise Anwälte, Journalisten und Lehrer. Aber auch Studierende haben oft Probleme mit ihrem Zeitmanagement, da sie ihre Aufgaben sehr frei und selbstständig einteilen können. Oder besser gesagt: müssen. Ab wann das Aufschieben aber wirklich ein Problem darstellt, lässt sich nicht so leicht sagen. Jeder Mensch muss für sich selbst entscheiden, wann das eigene Aufschieben zu Leiden und Beeinträchtigung im beruflichen und privaten Leben führt.
Zwei Arten der Prokrastination
Prokrastination ist nicht gleich Prokrastination! Auf der einen Seite gibt es den “Vermeidungsaufschieber”. Aus einem Bedürfnis nach Selbstschutz zögert diese Person wichtige Dinge hinaus - so kann sie Erwartungen und Konflikten aus dem Weg gehen.
Auf der anderen Seite hätten wir den “Erregungsaufschieber”. Dieser tut alles auf den letzten Drücker, um mehr Spannung in sein Leben zu bringen. Der Zeitdruck, der beim Aufschieben entsteht, wird als Kick empfunden.
Ursachen: Wie entsteht die Arbeitsstörung?
Für Prokrastination gibt keine wissenschaftlich bestätigen Ursachen oder Auslöser. Allerdings weisen viele Betroffene bestimmte Persönlichkeitsmerkmale auf, die das Aufschiebeverhalten beeinflussen und verstärken:
- Versagensängste: Aus Angst vor dem eigenen Scheitern oder vor Kritik Anderer wird eine Aufgabe aufgeschoben.
- Defizite im Zeitmanagement oder der eigenen Organisation: Generell unpünktliche und unorganisierte Personen neigen zu prokrastinierendem Verhalten.
- Hochbegabung: Besonders intelligente Menschen langweilen sich sehr schnell bei der Bearbeitung einer „alltäglichen“ Aufgabe. Das führt dazu, dass die entsprechende Tätigkeit unterbrochen oder gar nicht erledigt wird.
- Mangelnde Aufmerksamkeit und hohe Ablenkungsbereitschaft: Wer Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren, lässt sich meist auch sehr leicht ablenken und von der eigentlichen Aufgabe abbringen.
- Fehlende Motivation: Wer sich nicht motivieren kann, wird auch nichts erledigen.
- Unklare Prioritätensetzung: Viele Menschen haben Schwierigkeiten, Aufgaben nach ihrer Dringlichkeit zu sortieren und schieben die eigentlich wichtigsten Tätigkeiten ans Ende.
- Fehleinschätzungen der Aufgabe oder der eigenen Leistungsfähigkeit: Die Person kann den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe sowie die eigenen Fähigkeiten nicht abschätzen.
- Unklare Anforderungen: Viele Menschen fühlen sich hilflos ohne strikte Anweisungen.
- Perfektionismus: Zu hohe Ansprüche bilden eine Arbeitsblockade.
- Geringes Selbstwertgefühl: Wer große Selbstzweifel hat und sich nicht viel zutraut, wendet sich rasch von einer Tätigkeit ab.
- Unfähigkeit: Für die Fertigstellung einer Aufgabe fehlt das nötige Wissen oder die Fertigkeiten.
Behandlung: So kann man das Problem lösen
Die Arbeitsstörung ist keine anerkannte Krankheit, für die es folglich wenig wissenschaftlich ausgearbeitete Behandlungsansätze gibt. Jedoch wurden bereits einige Methoden entwickelt, die auf eine Verbesserung der Selbststeuerung abzielen.
Maßnahmen zur Behandlung, aber auch zur vorzeitigen Vermeidung von Prokrastination, können Selbstbelohnung und übersichtliche To-Do-Listen sein. Als Belohnung gilt dabei alles, was leichter fällt als die Aufgabe selbst - auch Wäschewaschen und Putzen gehören dazu. Zudem ist es wichtig, realistisch zu planen und sich kleine Ziele zu setzen. Also lieber klein anfangen und langsam „abarbeiten“. So wirken die sonst als unangenehm empfundenen Aufgaben gar nicht mehr so schlimm.
Wer mit dem Problem der Prokrastination zu kämpfen hat, sollte ebenfalls stets die eigenen Erfolge sichtbar machen. Ein Aufschieber muss verstehen, dass es sich lohnt, nicht aufzuschieben. Und wie geht das besser, als sich das positive Ergebnis einer Tätigkeit vor Augen zu führen? Außerdem sollte man nach Möglichkeit alle Störfaktoren ausschalten. Das kann der Fernseher, das Smartphone oder auch nur das offene Fenster sein. Stören tut alles, das von der eigentlichen Aufgabe ablenkt.
Wenn das prokrastinierende Verhalten sehr stark ausgeprägt ist, sollte man eine Therapie aufsuchen oder sich anderweitig von Experten beraten lassen. Das ist vor allem dann ratsam, wenn wichtige Herausforderungen des Lebens nicht gemeistert werden können und die persönliche Entwicklung unter der Prokrastination leidet.
Fazit
Prokrastination ist ein natürliches und alltägliches Phänomen. Wenn du auch ein wenig aufschiebst, ist das noch lange kein Grund zur Sorge. Aber achte mal ganz bewusst auf dein Verhalten oder hast du dich vielleicht schon in einem der Prokrastinations-Typen wiedererkannt?
An vielen Hochschulen werden mittlerweile sogar Beratungen und Schulungen zur Vermeidung von Prokrastination angeboten. Wenn du dich also mit deinem derzeitigen Selbstmanagement unwohl fühlst, zögere nicht und suche dir Hilfe.